Gesetzesvorlage ohne ein Gesetz vorzulegen

An die Redaktion
15. November 2012
 
Bereits ab 1.1.2013 sollen Zwangsbehandlungen wieder erlaubt sein und der Gesundheitsausschuss wird nicht gefragt! Berlin. Betroffenen-Verbände sind schockiert und protestieren vehement gegen das ungewöhnliche Vorgehen der Bundesregierung, die ein neues Gesetz zur Zwangsbehandlung noch in diesem Jahr, ohne öffentliche Diskussion mit Hilfe einer äußerst ungewöhnlichen Maßnahme, durchbringen möchte. Linkspartei und Grüne üben ebenfalls Kritik.

Zwangseinweisungen und Zwangsbehandlungen gehen mit erheblichen Einschränkungen der verbrieften Grundrechte von Menschen einher. Der Bundesgerichtshof hat in seinen zwei Beschlüssen vom 20. Juni 2012 (Az. XII ZB 99/12, XII ZB 130/12) ausgeführt, dass es an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Regelung für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung fehle. Zwangsbehandlungen seien deshalb nicht mehr genehmigungsfähig.

Während Betroffenenverbände mit dem Urteil große Hoffnungen auf einen besseren Schutz ihrer Grundrechte verbinden, sehen psychiatrische Fachverbände und die Pharmaindustrie die Stärkung der Patientenrechte natürlich mit großer Sorge. Vor allem in der Psychiatrie werden Menschen häufig gegen ihren Willen mit schwersten Psychopharmaka belastet.

Anscheinend soll die Lobby von Industrie und Psychiatrie jetzt schnellstmöglichst, und das heißt vor allem möglichst leise und im engsten Kreise, für Abhilfe der gesunkenen Absatzzahlen für Psychopharmaka sorgen. Es wurde kein standardgemäßes Gesetzgebungsverfahren, das automatisch für eine öffentliche Diskussion sorgen würde, eingeleitet. Vielmehr wurde die geplante Einschränkung auf dem Gebiet der körperlichen Unversehrtheit kurzerhand an einen bestehenden Gesetzentwurf, der sich mit einem völlig anderen Thema beschäftigt, einfach nur „angehängt“.

Mitglieder der Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte sowie Patientenverbände laufen Sturm. Heute protestierten sie in Berlin während einer Konferenz der Justizminister. KVPM Angehörige übergaben den Ministern dabei ein Schreiben, in dem sie zunächst den gravierenden Unterschied zwischen Psychiatern und nicht-psychiatrischen Ärzten herausstellen und fordern, dass ein Gesetz zur Zwangsbehandlung von Menschen NICHT im Eiltempo durchgesetzt wird, weil damit die Grundrechte der Betroffenen wieder missachtet werden. Bernd Trepping, Vorstand der KVPM Deutschland e.V., sagt: „Ein solches Vorgehen wird einem so schweren Eingriff in die Grundrechte nicht gerecht.“ Er fordert von den Ministern, sich nicht vor den Karren von Psychiatrie und Pharmaindustrie spannen zu lassen, und eine Beteiligung des Gesundheitsausschusses sowie von Betroffenenverbänden und Menschenrechtsvereinen am Gesetzgebungsverfahren.

Für weitere Informationen:
Bernd Trepping, Tel: 0178 - 613 74 67

Referenzen:

Der Gesetzentwurf zur Regelung der Zwangsbehandlung, angehängt an einen anderen Gesetzentwurf, der zufällig gerade auf dem Weg zum Beschluss ist und als willkommenes Vehikel benutzt wurde, der aber nicht das geringste mit diesem Thema zu tun hat, das erkennt sogar jeder Laie auf den ersten Blick und traut seinen Augen nicht (siehe da Punkt 1. in rotbrauner Schrift):
Formulierungshilfe_Gesetzes_zur_Durchfuehrung_des_Haager_Uebereinkommens

Dies war der ursprüngliche Gesetzentwurf, noch am 15.08.2012, ohne den Zusatz der Zwangsbehandlung:
Bundestag.de Drucksache 17/10492

Hier sehr schön der Timetrack dieses Gesetzentwurfs, welche Stadien er bisher durchlaufen hat:
Bundestag.de DIP ID: 17-45244

Hier ist die "Rechtfertigung" des Bundesjustizmisteriums, diesen "Tarnkappenbomber", wie die Irrenoffensive es nennt, auf den Weg zu bringen:
Betreuungsrecht Neuregelung

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.