Psychiatrie: Wegbereiter und Architekt des Massenmords

Holocaust-Gedenktag: Menschenrechtsverein mahnt deutschlandweit

26.01.2021

 

München/Berlin. Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust rückt die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V. (KVPM) mit bundesweiten Aktionen die psychiatrischen Vordenker und Brandstifter des Massenmords in den Mittelpunkt. In den Innenstädten in München, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt veranstalten die Menschenrechtler am 27. Januar Mahnwachen und fordern die Aberkennung sämtlicher Ehrungen des Psychiaters Emil Kraepelin, einem entscheidenden Vordenker der Rassenhygiene und Zwangssterilisation. Nicola Cramer, KVPM Bundesvorstand: „Psychiater lieferten den Nazis die Rechtfertigung für ihre grauenvollen Taten. Die nazi-psychiatrische Euthanasie, die Vernichtung angeblich 'erbkranker' Psychiatriepatienten in sechs psychiatrischen Anstalten (1940 – 1941), war der Auftakt und Katalysator für den Völkermord.“

 

In einem Offenen Brief an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier informieren die Menschenrechtler darüber, dass heute noch Emil Kraepelin, ein entscheidender Wegbereiter der menschenverachtenden Rassenhygiene und Sterilisation, mit Büsten, Portraits und Gedenktafeln in der Psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU) München sowie im Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Ehren gehalten wird. Darüber hinaus wird Kraepelin in 12 deutschen Städten noch immer mit Kraepelinstraßen geehrt.

 

Der Bundespräsident wird um eine öffentliche Distanzierung von dem menschenverachtenden Gedankengut Emil Kraepelins gebeten sowie um die Entfernung sämtlicher Kraepelin-Büsten, -Portraits und -Tafeln aus der LMU Psychiatrie München und dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Diese sollen dem Holocaust-Museum Yad Vashem in Jerusalem übergeben werden.

 

Weiter fordert die KVPM, dass die existierenden Kraepelinstraßen in den 12 deutschen Städten (München, Stendal/ Uchtspringe, Berlin, Neustrelitz, Nürnberg, Erlangen, Ulm, Homburg, Mainz, Herne, Dortmund, Lengerich) in Oskar-Schindler-Straße umbenannt oder mit Schildern zur Mahnung vor der menschenverachtenden Ideologie Kraepelins versehen werden.

 

Emil Kraepelin (1856 – 1926) war Begründer der „modernen“ Psychiatrie und der psychiatrischen Diagnostik. Von 1906 - 1920 stand Kraepelin dem Deutschen Verein für Psychiatrie (DVP) vor, dem Vorläufer der heutigen Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Kraepelin war ein maßgeblicher Wegbereiter der Rassenhygiene und früher Befürworter der Sterilisation. Auf sein Betreiben hin wurde 1917 in München die weltweit erste Forschungsstätte für psychiatrische Genetik eingerichtet, die „Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie“, die heute als Max-Planck-Institut für Psychiatrie bekannt ist. Bereits vor Gründung der Forschungsanstalt rief Kraepelin die genetisch-psychiatrische Familienforschung ins Leben, eine Art Stammbaum- und Sippenforschung, die in ähnlicher Weise später den Nazis als Grundlage für die Selektion ihrer Opfer diente. Kraepelin legte seine unmenschliche Einstellung schon 1908 in dem Werk „Zur Entartungsfrage“ dar. 1909 beklagte Kraepelin, die Irrenfürsorge erhalte die „geistig Minderwertigen“ am Leben, lasse sie zur Fortpflanzung gelangen und schädige die Tüchtigen im Kampf ums Dasein. Kraepelin forderte: „Ein rücksichtsloses Eingreifen gegen die erbliche Minderwertigkeit, das `Unschädlichmachen´ der psychopathisch Entarteten mit Einschluss der Sterilisierung.“ Der englische Psychiater Prof. Dr. Michael Shepherd betrachtete Kraepelin sogar als den geistigen Wegbereiter für Adolf Hitler.

 

Seit den 1970er Jahren macht die KVPM die Verbrechen der Nazi-Psychiatrie öffentlich, informiert darüber, dass viele nazi-psychiatrischen Täter nach dem Krieg der Justiz entkamen und ihre Karrieren fortsetzten konnten und fordert Abhilfe. Selbst nach der Herausgabe des Buches „Die Männer hinter Hitler“ im Jahre 1994 setzte die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ihre Verschleierungstaktik fort und verschwieg die mannigfachen Verbrechen ihrer Vorläuferorganisation in der Nazi-Zeit. Erst nach weiteren 16 Jahren unermüdlicher Aufklärungsarbeit durch die KVPM und der weltweiten Aufdeckung der Verbrechen von Nazi-Psychiatern mittels Dokumentationen, Ausstellungen, Broschüren, Demonstrationen und Beschwerden, bekannte sich 2010 endlich auch die DGPPN unter Frank Schneider öffentlich zu den unseligen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch deutsche Psychiater im Nationalsozialismus und entschuldigte sich bei den Angehörigen der Opfer.

 

Die KVPM erkannte diesen historischen Schritt der DGPPN öffentlich an, jedoch bleibt festzustellen, dass es eine unvollständige Beichte war. Bis heute scheut die DGPPN davor zurück, die Ehrungen von Emil Kraepelin abzuerkennen. Dabei war Kraepelin sogar der Lehrer der Nazi-Psychiater Ernst Rüdin, der das NS-Sterilisationsgesetz maßgeblich gestaltete, und Paul Nitsche, der nach dem Krieg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt wurde.

 

Die Zurückhaltung der DGPPN in Bezug auf Emil Kraepelin überrascht nicht, denn das heutige psychiatrische Diagnosebuch DSM, sowie das entsprechende Kapitel der ICD, gründet sich auf das Klassifikationssystem von Kraepelin. Der Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl bestätigt 2012: „Die Rolle von Emil Kraepelin ist dadurch eine so herausragende, als er eigentlich die Grundlegung der modernen Psychiatrie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gelegt hat.“ Mittlerweile ist das psychiatrische Diagnosebuch zwar weltweit in Verruf geraten, selbst der früher renommierte US-Psychiater Allen Frances weist es als unwissenschaftlich zurück. Trotzdem zählt das Buch nach wie vor zu den wichtigsten Goldeseln der Pharmaindustrie und Psychiatrie.

 

Der Historiker Prof. Dr. Hans Walter Schmuhl wurde von der DGPPN zur Erforschung der Geschichte der deutschen Psychiatrie eingesetzt. 70 Jahre nach Kriegsende veröffentlicht er 2016 viele neue historische Erkenntnisse über das Ausmaß der NS-psychiatrischen Verstrickungen. Darunter über den von Ernst Rüdin geleiteten Kurs „Erbbiologie und Rassenhygiene im völkischen Staat“, der im Januar 1934 an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München stattfand. Dort beschrieb Rüdin die Bedeutung Kraepelins: „München, das einmal die Wiege der nationalistischen Bewegung sei und dann die Wirkungsstätte Kraepelins war, der durch die Schaffung des Forschungsinstituts erst die Möglichkeit gegeben habe, die wissenschaftlichen Grundlagen für das biologische Regierungsprogramm zu schaffen.“ (2016, „Die Geschichte Deutscher Neurologen und Psychiater im Nationalsozialismus“, Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl, S. 215).

 

Der berüchtigste Schüler und Nachfolger von Kraepelin, Ernst Rüdin, vollendete das Werk und legte die Kriterien fest, auf deren Grundlage später SS-Personal die Opfer selektierten. In einer Lobrede auf den Nationalsozialismus schrieb Rüdin 1934: „Die Bedeutung der Rassenhygiene ist in Deutschland erst durch das politische Werk Adolf Hitlers allen aufgeweckten Deutschen offenbar geworden, uns erst durch ihn wurde endlich unser mehr als dreißigjähriger Traum zur Wirklichkeit, Rassenhygiene in die Tat umsetzen zu können.“

 

Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl: „Ich bin im Auftrag der DGPPN unterwegs und man kann sehr schön zeigen, dass diese Vereinigung der Psychiatrischen Neurologischen Fachgesellschaft (= Vorläufer der DGPPN)... tatsächlich vorbereitet worden ist von den Psychiatern um Ernst Rüdin, und dass der Nationalsozialistische Staat eigentlich eher als Handlanger dieses informellen Netzwerkes von Wissenschaftlern und Ärzten fungierte.“

 

Bernd Trepping, Vorstand der KVPM Deutschland e.V.:

„Die Tötungsmaschinerie, die in deutschen Konzentrationslagern in Polen von Massenmördern und SS-Leuten zum Einsatz kam, wurde von der Psychiatrie vorbereitet und ausgefeilt. Der Psychiater Emil Kraepelin legte Grundlagen für Rassenhygiene, Sterilisation und für die 'wissenschaftlich' begründete Unmenschlichkeit. Einen Psychiater wie Kraepelin heute noch öffentlich zu ehren, verhöhnt die Opfer erneut.“

 

Für persönliche Presseinterviews steht der KVPM Bundesvorstand am 27.01.2021 vor dem Reichstagsgebäude in Berlin von 11.00 - 12.30 Uhr zur Verfügung.


Für weitere Informationen:
Bernd Trepping 0178 - 613 74 67
Nicola Cramer 0178 - 540 47 35

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