Psychiater als Krankheitserfinder

DSM – Das umstrittene psychiatrische Diagnosebuch:  

 
Im Januar 2013 thematisiert DER SPIEGEL auf der Titelseite das Problem: „Was ist noch normal? DIE PSYCHO-FALLE – Therapeuten streiten über die Grenze zwischen Gesundheit und seelischer Erkrankung“. Im Focus der Kritik steht das Diagnosebuch der Psychiatrie, das „Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen“ (DSM) in dem Hunderte Befindlichkeiten aufgelistet werden, die als offizielle Geisteskrankheiten gelten und mit den Krankenkassen abgerechnet werden können. Herausgegeben wird das DSM von der American Psychiatric Association (APA), der mit 36.000 Mitgliedern größten Psychiatervereinigung weltweit.

 

Das DSM beeinflusst auch das „Kapitel V – Psychische und Verhaltensstörungen“ der International Classification of Diseases (ICD), jenen Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mit dem Ärzte und Psychiater hierzulande abrechnen. Das DSM prägt Psychiater, Ärzte und Psychologen auf der ganzen Welt. DER SPIEGEL dazu: „Das DSM bestimmt, was noch normal ist und was schon verrückt. Es gebiert Verkaufsschlager auf dem Pharmamarkt und beeinflusst, wie die Öffentlichkeit über Geisteskrankheiten denkt.“


Der US-Psychiater Allen Frances bringt es auf den Punkt. Im April 2013 berichtet SPIEGEL ONLINE dazu im Artikel „Beichte eines Psychiater-Papstes“:
... Jetzt hat sich der US-Psychiater Allen Frances, einer der ehemaligen Autoren des Katalogs für psychiatrische Störungen DSM, gegen seine eigene Zunft gerichtet: In seinem neuen Buch `Normal´ legt er eine bemerkenswerte Beichte ab. Je weiter die Psychiatrie voranschreitet, desto weniger Normale bleiben übrig. Einer Studie zufolge erfüllen schon mehr als achtzig Prozent der jungen Erwachsenen die Kriterien für eine psychische Störung. Das sei irre, sagt der US-amerikanische Psychiater Allen Frances. `Die diagnostische Inflation hat dafür gesorgt, dass ein absurd hoher Anteil unserer Bevölkerung heutzutage auf Antidepressiva, Neuroleptika, Anxiolytika, auf Schlaf- und Schmerzmittel angewiesen ist´.

Doch mit Frances, 70, meldet sich jetzt jemand zu Wort, der sein ganzes Berufsleben selbst daran beteiligt war, normale Menschen in seelisch Kranke zu verwandeln. ... Allen Frances leitete die Abteilung für Psychiatrie an der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina und pries als bezahlter Redner Produkte der pharmazeutischen Firmen an. Zusätzlich war er bei der American Psychiatric Association (APA) darin eingebunden, neue seelische Leiden zu erfinden.” 

 

Wie bereits erwähnt, ist die APA ist der Herausgeber des psychiatrischen Diagnosebuches, dem „Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen“ (DSM). Im SPIEGEL ONLINE heißt es weiter:

 

Das DSM bestimmt, wo die Grenze zwischen normal und gesund verläuft. Und das ist eine Grenze, die bisher mit jeder neuen Ausgabe des DSM in den Bereich des Normalen verschoben wurde. Frances hatte an der dritten Auflage (DSM-III) mitgewirkt und war Vorsitzender der Kommission, die die derzeit noch gültige vierte Auflage (DSM-IV) erarbeitet hat. In diesem Zeitraum ist die Anzahl der verschiedenen Diagnosen von 182 auf 297 gestiegen. Diese Epidemie der Seelenleiden sei dem Fortschritt der Psychiatrie geschuldet, hieß es immer. ...

 

Nun aber räumt Insider Frances mit diesem Märchen auf. In Wahrheit seien psychische Störungen aus 'praktischer Notwendigkeit, Zufall, allmählicher Verwurzelung, Präzedenz und Trägheit’ in das DSM gelangt. 'Kein Wunder also’, so Frances, 'dass die Störungen nach dem DSM ein ziemliches Sammelsurium ohne innere Logik sind und sich teilweise gegenseitig ausschließen.’“ Und weiter: „Als Beispiel beschreibt Frances, wie er und seine Mitstreiter die banale Schüchternheit in die 'soziale Phobie’ verwandelt haben, heute die dritthäufigste Störung. 'Wir hatten alle den Kopf tief im Sand und verschätzten uns grob’, räumt er ein. Und leider sei es ihm nicht gelungen, 'drei neue falsche Epidemien bei Kindern vorherzusagen oder gar zu verhindern: Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und bipolare Störung’. Dabei seien die Kinder heute gar nicht gestörter als früher, gesteht Allen Frances. 'Was sich verändert hat, sind die Etiketten.’“

 

Frances kritisiert die neuen Seelenleiden im DSM, wie DER SPIEGEL im Januar 2013 zitiert: „Die pharmazeutische Industrie hat begriffen: Die beste Art und Weise, den Pillenverbrauch zu erhöhen, ist, uns davon zu überzeugen, dass immer mehr Leute ein mentales Problem haben.“

 

Quelle A:
DER SPIEGEL, 21.01.2013: „Was ist noch normal? DIE PSYCHO-FALLE – Therapeuten streiten über die Grenze zwischen Gesundheit und seelischer Erkrankung“
 

Quelle B:
SPIEGEL ONLINE, 12.04.2013: „’Normal’ von Allen Frances – Beichte eines Psychiater-Papstes“

 

Vermarktung erfundener Krankheiten – dann die der Psychodrogen:
 

Im Februar 2013 wies die ARD in der 45-minütigen Dokumentation „Gefährliche Glückspillen – Milliardenprofite mit Antidepressiva“ auf die u. U. sogar tödlichen Auswirkungen von derartigen Psychopharmaka hin.

Bei der deutschen Arzneimittelzulassungsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), werden Nebenwirkungen in der Datenbank sogenannter unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) dokumentiert. Bis April 2013 konnte sich der Laie nur mittels Antrag nach dem Freiheitsinformationsgesetz und gegen hohe Gebühr Einsicht in diese Datenbank verschaffen. Mittlerweile hat das BfArM einen öffentlichen Zugang zur UAW-Datenbank eingerichtet, so dass sich interessierte Bürger kostenlos online über Arzneimittelrisiken informieren können. Diese Datenbank umfasst alle dem BfArM seit 1995 gemeldeten Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen aus Deutschland. Diese Fälle beziehen sich auf unerwünschte Ereignisse beim Patienten, die nach der Einnahme von Arzneimitteln eingetreten sind und dem BfArM mit dem Verdacht auf einen ursächlichen Zusammenhang mit diesem Arzneimittel gemeldet wurden.

 

Immer mehr Kinder und Erwachsene werden mit Diagnosen aus dem fragwürdigen psychiatrischen Diagnosebuch DSM bzw. der ICD zu psychisch Kranken abgestempelt.

 

Parallel dazu explodiert die Verschreibung von Psychopharmaka. Nach Erkenntnissen der Techniker Krankenkasse nehmen 3,3 Millionen Bürger hierzulande Psychopharmaka. 400.000 Kindern und Jugendlichen werden in Deutschland Psychopillen gegen ADHS verschrieben, in erster Linie mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die in Deutschland verschriebene Menge von Methylphenidat wie bereits erwähnt vervielfacht: von 34 Kilo im Jahr 1993 auf fast 1,8 Tonnen im Jahre 2011. Das ist mehr als die fünfzigfache Menge. Sie landet in den Körpern von Kindern: Erst seit April 2011 ist Methylphenidat auch für Erwachsene zugelassen.
 


Nebenwirkungen von Methylphenidat nach Informationen des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):

In der Datenbank über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind von 1995 – 2013 insgesamt 1.202 Fälle mit 3.230 berichteten Methylphenidat-Nebenwirkungen aufgelistet, darunter:

Todesfälle: 7
Selbstmordprobleme: 114
Drogenmissbrauch: 168


Nebenwirkungen von Atomoxetin (Strattera, Hersteller: Lilly) nach Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):
In der Datenbank über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind von 2005 – 2013 insgesamt 462 Fälle mit 1.161 berichteten Atomoxetin-Nebenwirkungen aufgelistet, darunter:

Todesfälle: 3
Selbstmordprobleme: 100
Drogenmissbrauch: 12


Durch Akteneinsicht wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Erfahrung gebracht, dass von 1989 bis 2010 nach Einnahme von Psychopharmaka allein folgende schwerste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) berichtet wurden: 

Neuroleptika: 1.276 Todesfälle, davon 190 Suizide
Antidepressiva: 444 Todesfälle, davon 146 Suizide
Benzodiazepine: 289 Todesfälle, davon 42 Suizide
Stimulanzien: 8 Todesfälle, davon 1 Suizid

 

Dabei ist davon auszugehen, dass unzählige Todesfälle überhaupt nicht dokumentiert wurden und die Dunkelziffer daher um ein Vielfaches höher sein dürfte.

 

Es müssen konkrete Aktionen von den zuständigen Entscheidungsträgern der Legislative, Exekutive und Judikative ergriffen werden, um die Öffentlichkeit über die Gefahren für Leib und Leben durch unwissenschaftliche Psycho-Diagnosen und gefährliche Psychopharmaka aufzuklären.

 

Zudem muss dafür gesorgt werden, dass die Zulassung derart gefährlicher Psychopharmaka und die Finanzierung derartiger psychiatrischer „Behandlung“ durch die Krankenkassen unterbunden wird.

 

Nur so können gesundheitliche Schäden durch die Verordnung dieser Mittel an Kinder und Erwachsene unterbunden werden, der medizinischen Grundsatz „nihil nocere“ (nicht zu schädigen) durchgesetzt und die Leben unzähliger Betroffener geschützt werden.