
Kinder brauchen Schutz – keine Psychopillen
München, den 30. Juli 2025
{Anrede},
Kinder befinden sich in einem stetigen Entwicklungsprozess. Sie sind neugierig, einzigartig, mal fröhlich, mal traurig, - manche laut oder lebhaft, andere still oder zurückhaltend. In der Pubertät treten häufig emotionale Herausforderungen auf: Liebeskummer, Ängste, Unsicherheiten oder Krisen gehören dazu. Viele Veränderungen prägen diese Phase – sie sind Teil einer normalen kindlichen Entwicklung.
Doch die moderne Psychiatrie stigmatisiert normales kindliches Verhalten mit nachweislich nicht wissenschaftlichen Diagnosen als „psychisch krank“ und setzt die Betroffenen – teils ohne vorherige vollständige Aufklärung und gegen den Willen der Kinder und ihrer Eltern – unter persönlichkeitsverändernde Psychopharmaka, die dauerhaften schweren Schaden anrichten können.
Psychiatrische Diagnosen entstehen nicht durch objektive Wissenschaft, sondern durch Abstimmungen - statt belastbarer wissenschaftlicher Studien - in kleinen psychiatrischen Arbeitsgruppen, oft unter dem Einfluss der Pharmaindustrie.
Was als „psychische Krankheit“ gilt, wird nicht gemessen, sondern beschlossen – mit weitreichenden Folgen für Millionen Menschen, insbesondere Kinder.
Psychiatrische Diagnosen basieren nicht auf objektiven Befunden, sondern sie werden durch Abstimmung per Mehrheitsbeschluss einer kleinen Arbeitsgruppe von US-Psychiatern ins internationale psychiatrische Diagnosehandbuch (DSM) aufgenommen. Auch das Kapitel V, Psychische und Verhaltensstörungen, der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beruht auf einem ähnlichen Vorgehen. Die aktuellen Ausgaben, DSM-5 und ICD-11, Kapitel V, sind in weiten Teilen deckungsgleich.
DSM-IV-Chef, der US-Psychiater Allen Frances warnte selbst: „DSM-5 könnte die Welt mit zehn Millionen neuer, aber falscher Patienten füllen.“ i Es gibt keine unabhängige Überprüfung psychiatrischer Diagnosen für Kinder oder Jugendliche.
Welche sind „echt“ und welche sind fake?
Der Umstand, dass der umstrittene Kinderpsychiater Michael Winterhoff vielen Hunderten Kindern starke Neuroleptika verabreichen konnte, allein aufgrund einer von ihm selbst erfundenen Diagnose, die nicht einmal im offiziellen psychiatrischen Diagnosehandbuch existiert, macht deutlich: In der Kinderpsychiatrie reichen Fantasiebegriffe, um reale Schäden zu verursachen. Laut Generalanzeiger Bonn steht Winterhoff derzeit vor Gericht. Ihm wird gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift in 36 Fällen vorgeworfen. Der Angeklagte habe das Psychopharmakon Pipamperon (auch unter dem Handelsnamen Dipiperon bekannt) verordnet. Viele Patienten sollen an Nebenwirkungen gelitten haben, etwa starke Gewichtszunahmen, Müdigkeit und Bewegungssteifigkeit.
Antidepressiva, Neuroleptika und Psychostimulanzien werden immer häufiger an Kinder und Jugendliche verschrieben – trotz dieser höchst fragwürdigen psychiatrischen Diagnostik (ICD-11, DSM-5), fehlender Langzeitstudien und Warnungen von Arzneimittelbehörden vor gravierenden und gefährlichen Nebenwirkungen bei Minderjährigen – Weltweit ein Milliardengeschäft.
Die Zahl der antidepressiv behandelten Jugendlichen steigt dramatisch: Bei Mädchen zwischen 15–17 Jahren mit neu diagnostizierter Depression hat sich die Zahl der medikamentösen Behandlungen seit 2019 um über 60 % erhöht. ii
Bereits 4,3 % der 12- bis 17-jährigen Versicherten der TK erhielten 2020 ein Psychopharmakon, meist ein Antidepressivum. iii
Auch die Verordnung von ADHS-Stimulanzien wie Methylphenidat bleibt hoch: 2020 wurden in Deutschland 56 Mio. definierte Tagesdosen verschrieben – genauso viel wie im Rekordjahr 2009. iv Besonders auffällig ist der Anstieg bei Jugendlichen: Zwischen 2008 und 2018 nahmen die ADHS-Medikationen bei 17–24-Jährigen um 113 % zu, bei Erwachsenen über 25 sogar um 355 %. v
Eine große Metaanalyse des BMJ zeigt: Bei Kindern und Jugendlichen verdoppeln Antidepressiva das Risiko für Suizidgedanken und Aggression. vi
Auch die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) warnt ausdrücklich: „Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist ein erhöhtes Risiko für suizidales Verhalten nachgewiesen worden […] Die DGSP fordert deshalb, diese Medikamente bei Jugendlichen möglichst nicht einzusetzen.“ vii
Neben Antidepressiva werden auch Neuroleptika zunehmend an Kinder und Jugendliche verschrieben – oft nicht bei Psychosen, sondern zur Beruhigung bei ADHS, Unruhe oder Schlafproblemen. Zwischen 2011 und 2020 stieg die Neuroleptika-Verschreibung bei Minderjährigen um 17 %. viii
Bereits 2012 wurde Risperidon – das meistverordnete Antipsychotikum – in über 60 % der Fälle bei ADHS eingesetzt, obwohl keine Zulassung bestand. ix Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Diabetes, emotionale Abstumpfung sind gravierend. Prof. Peter Schönhöfer warnte: „Fachgesellschaften müssen ihre Gremien von industrienahen Experten reinigen – dann kann die Therapie sauberer werden.“ x
Psychopharmaka können nicht nur Suizidgefahr, sondern auch Gewaltverhalten auslösen. Das BfArM veröffentlichte 2009 verpflichtende Warnhinweise über Feindseligkeit und Impulsivität bei jungen Erwachsenen. xi In mehreren US-Gerichtsverfahren wurde anerkannt, dass Medikamente wie Paxil, Zoloft oder Prozac zu schweren Gewalttaten geführt hatten. xii
Menschliche Emotionen und Verunsicherungen angesichts der verschiedenen Krisen und gesellschaftlicher Probleme in unserer heutigen Welt sind verständlich. Es gibt keine chemischen Lösungen für soziale Probleme. Kinder brauchen Liebe, Hilfe, Sicherheit und Unterstützung – keine Stigmatisierung, Zwangs-Psychiatrisierung, gefährliche Psychopillen oder Elektroschocks.
Die Therapeuten, Kinderpsychiater, Psychologen, Psychotherapeuten tragen die Verantwortung für ihr Handeln, nicht die Industrie. Sie stehen nicht über dem Gesetz. Das Ausstellen eines falschen ärztlichen Gesundheitszeugnisses (z.B. leichtfertiges Abstempeln mit Psycho-Diagnosen nach einem kurzen Gespräch) stellt einen Straftatbestand dar, ebenso wie Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Betrug (Falschabrechnungen mit Krankenkassen) oder fahrlässige Tötung.
Die erste Pflicht eines jeden Arztes ist es, das Wohl und die Gesundheit seiner Patienten zu schützen, zu erhalten oder wiederherzustellen – stets im Einklang mit ihrer Selbstbestimmung und den Grundsätzen der ärztlichen Ethik. Diese Verpflichtung ist in Deutschland sowohl berufsrechtlich, ethisch als auch gesetzlich verankert.
Die Stigmatisierung von gesunden Kindern und Jugendlichen mit einer schwammigen und unwissenschaftlichen psychiatrischen Diagnostik (ICD-11, DSM-5) als „psychisch krank“ und die sich oft anschließende (Zwangs)behandlung mit Psychopharmaka mit schädigenden Auswirkungen muss zum Schutz des Kindeswohls unterbunden werden.
Unsere Forderung:
Wir fordern ein bundesweites Konzept zur Umsetzung der neuen WHO/UN Leitlinie „Mental Health, Menschenrechte und Gesetzgebung“ vom Oktober 2023 xiii, mit folgenden Schwerpunkten insbesondere zum Schutz von Kindern:
1) Verbot von Zwangsmaßnahmen und psychiatrischer Gewalt
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist bei Kindern ausdrücklich nicht empfohlen und sollte gesetzlich verboten werden.
- Ebenso sollen Fesselung, Isolationsräume, unfreiwillige medikamentöse Eingriffe oder Fixierungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gesetzlich untersagt werden.
2) Informed Consent & Entscheidungsautonomie
- Kinder und Jugendliche sollen – altersentsprechend – in Entscheidungen zur Behandlung einbezogen werden. Das betrifft das Recht auf Information über Diagnose, Nebenwirkungen und Alternativen sowie die Möglichkeit, Behandlungen abzulehnen.
Darüber hinaus erachten wir folgende Forderungen für dringend notwendig:
3. Verbot von Antidepressiva bei Kindern unter 18 Jahren, auch bei Off-Label-Verordnung
4. Offenlegung aller Interessenkonflikte von Kinderpsychiatern, Leitlinienautoren und psychiatrischen Kliniken mit der Pharmaindustrie
Wir bitten Sie: Werden Sie Teil der Lösung.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Trepping
Vorstand KVPM Deutschland e.V.
Quellenverzeichnis:
i https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/psychiatrie-das-buch-des-wahnsinns-1.1118134
ii DAK-Gesundheitsreport 2023, 30. März 2023, www.dak.de
iii TK-Verordnungsreport 2022, 7. November 2022, www.tk.de
iv Arzneiverordnungsreport 2021, Springer Verlag, S. 829
v Grimmsmann & Himmel, Gesundheitswesen 2020
vi BMJ, 27. Januar 2016, DOI: 10.1136/bmj.i65
vii DGSP, Positionspapier 'Annahmen und Fakten: Antidepressiva', 12.06.2019, www.dgsp-ev.de
viii Bachmann CJ et al., Frontiers in Psychiatry, März 2023, DOI: 10.3389/fpsyt.2023.1100673
ix Barmer GEK Arzneimittelreport 2014, S. 94
x ZDF Frontal21, 13.08.2013
xi BfArM-Bescheid vom 23. März 2009 zu SSRI/SNRI
xii Tobin vs. GSK, Wyoming 2001; The Guardian, 26. Mai 2001
xiii https://www.ohchr.org/en/publications/policy-and-methodological-publications/mental-health-human-rights-and-legislation