Haarer "Burg" im gleißenden Scheinwerferlicht

 

München, den 13. 10. 76

 

Scharfen Protesten von Angehörigen der Haarer "Burg"-Insassen ging die Münchner "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." nach. In den letzten Wochen war es seit dem Umzug des Hauses 22 in die neue "Burg" förmlich zu einer Protestwelle gekommen. Von fast 10% der Burginsassen beschwerten sich die Angehörigen in aller Schärfe über gleißende Flutlichter, die bei Nacht, nach den Angaben der Insassen, die Burg immer wieder in einen Ort der Unmenschlichkeit verwandeln. Alle halbe Stunde, so sagten Insassen ihren Angehörigen, werde das Licht kurz in voller Stärke aufgeblendet.

 

Manch einer, der von Schlafstörungen geplagt über seine verzweifelte und ausweglose Situation nachdenkt, muss sich fragen, ob er hier überhaupt noch als Mensch gilt, der empfinden darf, oder aber nur noch als Tier oder gar als Objekt.

 

Die Kommission überprüfte die massiven Vorwürfe. Was sie fand, hat sie auf dem Bild festgehalten. Ein Sprecher der Kommission: "Wir wollten es zunächst nicht glauben. Als wir kurz vor Mitternacht hinkamen, war es gespenstisch dunkel. Doch plötzlich stand dann alles in gleißendem Scheinwerferlicht. Rund ein Dutzend starke Scheinwerfer tauchten die Burg für kurze Zeit in ein Lichtermeer. Es ist ein Wahnsinn, wie man mit psychisch Kranken so umgehen kann. Ein Mensch, der sich nicht selbst wehren kann, kann so etwas nur als seelische Qual und Terror empfinden. Ein Häftling in einer normalen Haftanstalt muss seinen Aufenthalt als Sanatorium dagegen empfinden. Wenn hier einer je wieder aus der Burg herauskommt, der wird sich bitter an der Gesellschaft rächen".

 

Obwohl mehrere Personen bei der Kommission übereinstimmend aussagten, dass nach Angaben der Insassen die Scheinwerfer halbstündlich angeschaltet werden, konnte die Kommission dies bisher nicht bestätigen. In drei aufeinanderfolgenden Nächten überprüfte sie zu verschiedenen Zeiten, dass die Flutlichtanlage jede Nacht aufleuchtet. Die Abstände des Aufleuchtens müssen jedoch unregelmäßig sein, da nach halbstündigem Warten die Scheinwerfer noch nicht wieder angingen.

 

Die Kommission beabsichtigt jetzt, wegen der "Burg" vor das Parlament zu gehen und eine Überprüfung der Zulässigkeit derart inhumaner Behandlungsmethoden in Haar überprüfen zu lassen. Frühere Proteste beim Bezirkstag sollen nichts Wesentliches gebracht haben.

 

Dass die Verantwortlichen im Bezirkstag und in Haar ein schlechtes Gewissen haben, zeigt sich nach Angaben der Kommission auch daran, dass man bei der Eröffnung der Burg am 14. Sept. heimlich in die neue "Burg" umzog und Öffentlichkeit und Presse von einer Besichtigung und Untersuchung der Anlage auf ihre Menschenwürdigkeit und moderne Therapieform ausschloss.

 

Da noch viele andere Beschwerden über die Burg, wie zum Beispiel über den Besucherraum und die Behandlung durch die "Schwarzen Sheriffs" vorliegen, will die Kommission jetzt eine "Interessengemeinschaft der Angehörigen von Insassen in Haar" mit einem eigenen Ausschuss für die "Burg" bilden, um dadurch wirksamer für mehr Menschlichkeit und zeitgemäße Therapie und Behandlung der psychisch Kranken in Haar zu kämpfen.

 

23.30 Uhr "Fort Knox" in Haar. Gleißendes Scheinwerferlicht umgibt die "Burg" - die geschlossene Station für psychisch kranke Rechtsbrecher. Im Scheinwerferlicht zerrinnen ihre letzten Hoffnungen und Gefühle. Sie wurden eingewiesen, weil sie seelische Hilfe bekommen sollten, doch von der Gesellschaft fühlen sie sich verlassen.

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.