Schreiben vom 24.8.1976

 

An den Präsidenten der
Deutschen Zentralstelle
für Volksgesundheitspflege e.V. German (FRG) Committee for WFMH
Dr . L. v. Manger Koenig

 

Feuerbachstraße 14
6 Frankfurt am Main

 


Sehr geehrter Herr Präsident!

 


Das soeben in englischer Sprache erschienene "Psychiatrie - Handbuch für Dissidenten" von dem russischen Bürgerrechtler Wladimir Bukowskij und dem Psychiater Semjon Glusman ist Anlass unseres Schreibens.

 

Dieses Manual, das durch die Übersetzung und Publikation jetzt jedermann zugänglich wurde, ist neben den vielen Berichten von Opfern, die in den Westen gelangten, ein erneuter und erschreckender Beweis dafür, wie die sowjetische Psychiatrie durch die willkürliche Interpretation psychiatrischer Krankheitsbegriffe die Handhabe zur Einlieferung und Behandlung Andersdenkender liefert.

 

So werden Dissidenten als "nicht zurechnungsfähig" und unter dem Deckmantel der medizinischen Heilung als einweisungs- und behandlungsbedürftig erklärt. Dabei kommen auffallend häufig zwei Diagnosen zur Anwendung, die schleichende Schizophrenie und die paranoide Entwicklung der Persönlichkeit.

 

Dies ist psychiatrischer Psycho-Terror im Dienste einer Politik, die durch Verweigerung natürlicher Rechte Menschen um ihre Freiheit und ihren Anspruch auf Anerkennung als mündige Rechtspersonen zu bringen versucht. Psychiatrische Behandlungen, die gewöhnlich den Zwangseinlieferungen unmündig erklärter Dissidenten folgen, können deshalb nur als "verbrecherische Folter" bezeichnet werden.

 

Der politische Missbrauch der Psychiatrie zeigt sich auch in Pervertierungen folgender Art auf sehr deutliche Weise, wenn sowjetische Kollegen, wie der Chefpsychiater der Roten Armee, Professor Timofejew, unwidersprochen von all seinen westlichen Kollegen erklärt, dass das abweichende Verhalten der Dissidenten möglicherweise durch eine Gehirnkrankheit, die schleichende Schizophrenie, ausgelöst wird, bei der die pathologischen Veränderungen nur sehr langsam und leicht auftreten.

 

Gerade für die Experten der forensischen Psychiatrie ist diese missbräuchliche Verwendung psychiatrischer Krankheitsbegriffe zu einem unabdingbaren Werkzeug geworden. Als so genannte Gutachter für die Justiz leisten sie Handlangerdienste für "legale" Einweisungen.

 

Unzweideutige Angriffe dieser Art auf die Gesundheit unbequemer Bürger und die stetig wachsende Zahl authentischer Berichte von Opfern, die den sowjetischen Anstalten und Gefängnissen entkommen sind, beweisen die anhaltenden Missbräuche der Psychiatrie durch Folter und Zwangsbehandlungen zur Umerziehung Andersdenkender.

 

Bis heute haben Ihre Organisation und der internationale Weltverband für Psychiatrie, die "World Federation, of Mental Health" (WFMH), die Sie in Deutschland repräsentieren, keine nachweisbaren Schritte unternommen, die darauf hindeuten, dass Ihre Organisation und die WFMH  bemüht sind, alle erdenklichen Maßnahmen und Aktionen zu unternehmen, um diesem politischen Psychiatrie-Terror Einhalt zu gebieten.

 

Wir fragen Warum? In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. Aug. 76 heißt es: "Oder wie erklärt sich das Verhalten des Generalsekretärs der Internationalen Psychiatervereinigung, Li, der in der Sowjetunion einem Gespräch mit General Grigorenko, den man in ein psychiatrisches Gefängnis verbrachte, aus dem Wege ging, gleichzeitig aber einen der sowjetischen Psychiater, die mit dem KGB zusammenarbeiten, nach England einlud, unter Berufung darauf, dass dieser ein sehr sympathischer und liebenswürdiger Mensch sei?"

 

Warum vermied es die WFMH bisher peinlich, die Berufsethik der Psychiater zur Sprache zu bringen und eine Verurteilung jeder Art unzulässigen Einweisung und Behandlung zu verlangen? Es ist Sache der Psychiater, dem Missbrauch der Psychiatrie, wo immer er geschieht, entgegenzutreten. Wer das nicht tut, macht sich mitschuldig an den Verbrechen.

 

Wir fordern deshalb die deutsche Zentralstelle für Volksgesundheitspflege e.V. auf, einen Entschluss zu fassen, der geeignete Maßnahmen gegen jeden politischen Missbrauch der Psychiatrie vorsieht. Als deutsches Komitee der WFMH ist es Ihrer Organisation in einzigartiger Weise möglich, vor einem internationalen Forum auf psychiatrische Gesellschaften und Konferenzen und auf die World Federation of Mental Health direkten Einfluss auszuüben und ein internationales Vorgehen gegen jede ungerechte Einweisung und Behandlung zu bewirken.

 

Die Kommission fordert in Zukunft, alle jene Psychiater zu erfassen, die sich zu politisch motivierten Anschlägen auf die Gesundheit wehrloser Menschen hergeben, und sie als Mitglieder auszuschließen, beziehungsweise psychiatrische Standesorganisationen, die die notwendigen Untersuchungen solcher Fälle verweigern, zu boykottieren.

 

Wir sind überzeugt, dass Sie die Bedeutung unseres Anliegens im Sinne der Menschenrechte richtig einschätzen und erwarten gerne Ihre Antwort.
Hochachtungsvoll

 

(Dipl. Ing. H. R. Reiff)

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.