Intervention für Selbstschutzeinrichtungen bei psychisch Kranken

 

13. 2. 1976

 

Nach dem Altenheimskandal in Waiblingen der kürzlich für die Ex-Heimleiterin Helga K. mit zwei Jahren Gefängnis endete, weil sie seelisch Kranke grausam misshandelt hatte, zieht die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. jetzt erste Konsequenzen. Mit einem siebenseitigen Bericht interveniert die Münchner Kommission zusammen mit der Deutschen Liga für Menschenrechte e.V. bei den zuständigen Behörden und Politikern und fordert die Verwirklichung von konkreten Selbstschutzmöglichkeiten für psychisch Kranke.

 

Ihren Vorstoß für derartige Maßnahmen richteten die beiden Menschenrechtsvertretungen an insgesamt 19 Stellen in ganz Baden-Württemberg. Unter anderem ging der Bericht an den Ministerpräsidenten Dr. Hans Filbinger, an den Innenminister und Justizminister, an alle drei Landtagsfraktionen, sowie an den Regierungspräsidenten in Stuttgart und an den Kreistag Rems-Murr.

 

In ihrem Bericht geht die Kommission davon aus, dass sich die Missstände und Misshandlungen an psychisch Kranken wie im Heim der Schwester Helga sich nur deshalb ereignen konnten und solange unentdeckt blieben, weil nach ihrer Ansicht drei grundlegend wichtige Schutzeinrichtungen für psychisch Kranke fehlten.

 

   a) Verbot der Briefkontrolle bei psychisch Kranken,

   b) Eine unabhängige Beschwerdestelle,

   c) Externe Kontrolle von psychiatrischen Anstalten und Heimen.

 

Die Kommission argumentiert: "Für jeden Bürger unseres Landes sind Menschenrechte etwas selbstverständliches. Seine Grundrechte sind gesetzlich verankert. Für Menschen, die an einer seelischen Krankheit leiden, scheinen diese Rechte nicht mehr zu gelten. Die in Heimen und Anstalten untergebrachten psychisch Kranken besitzen nur mehr minimale persönliche Freiheiten - Psychiater und Heimleitungen sowie Pflegepersonal entscheiden über ihr Schicksal".

 

Sie folgert deshalb, dass es höchste Zeit ist, Maßnahmen zu ergreifen, um seelisch Kranken ausreichende Selbstschutzmöglichkeiten zu geben, um sie vor Misshandlungen und vor ungerechtfertigten Angriffen auf ihre Menschenwürde zu schützen. Ausdrücklich weist der Bericht darauf hin, dass der Altenheimskandal Schwester Helga keinen Einzelfall darstellt, sondern schon oft Misshandlungen dieser Art durch die Wehrlosigkeit der psychisch Kranken bekannt wurden. Diese belegt der Bericht anhand von beispielhaften Veröffentlichungen aus der deutschen Presse.

 

Auch eine große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Forderungen der Kommission. Eine von ihr jüngst durchgeführte Umfrage (wir berichteten), bei der 500 Personen in Stuttgart und Waiblingen befragt wurden, hatte ergeben, dass 83,5% sich gegen eine Briefkontrolle bei Patienten in psychiatrischen Heimen und Anstalten aussprachen. 88,3% wünschten eine unabhängige Beschwerdestelle und 63,5% folgerten, dass nur durch eine Kontrolle von außen irgendwelchen Missständen ein wirkungsvoller Riegel vorgeschoben werden kann. Eine Mehrheit vertrat sogar die Ansicht, dass derartige Kontrollen stichprobenartig und ohne vorherige Ankündigung durch unabhängige Gremien erfolgen sollen.

 

Bestätigt von diesen eindeutigen Ergebnissen der Umfrage sehen sich die beiden Menschenrechtsvereinigungen in einer guten Position bei den zuständigen Stellen, die über die Einführung der geforderten Selbstschutzmöglichkeiten für psychisch Kranke zu entscheiden haben.

 

Die Vereinigungen bekräftigen ausdrücklich, "dass durch die neu zu schaffenden Richtlinien niemand in seinem verantwortlichen Handeln behindert oder in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt werden soll. Vielmehr soll dadurch endlich erreicht werden, dass alle, die an einer reibungslosen Heilung unserer geistig Behinderten und an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem für psychisch Kranke interessiert sind, die notwendige Zusammenarbeit und Vertrauensbasis für unsere seelisch Kranken schaffen.''

 

 

Mehr zum Thema:

 

 

_______________________________________________________

Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.