Unbequemer Hinweis auf fehlende Fakten bei Psychiatrie-Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum München:

Anerkannter Psychiatrie-Experte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verurteilte den Begründer der modernen Psychiatrie, Emil Kraepelin, als „geistigen Wegbereiter Adolf Hitlers“

Anlässlich der Eröffnung der DGPPN Ausstellung „Erfasst, verfolgt, vernichtet“ im NS-Dokumentationszentrum München fordert der Menschenrechtsverein KVPM Deutschland e.V. die Aberkennung der DGPPN-Ehrenmitgliedschaft von Emil Kraepelin, dem frühen Wegbereiter der Rassenhygiene und Sterilisation und Mentor des Nazi-Psychiaters Ernst Rüdin

Die KVPM Deutschland e.V. (Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte) forderte heute in einem Schreiben an die Präsidentin der DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychologie und Nervenheilkunde) Dr. Iris Hauth, an den Direktor der psychiatrischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, sowie an Prof. Dr. Peter Falkai, sowie an den Forschungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, Prof. Alon Chen, sämtliche Ehrungen des Psychiaters Emil Kraepelin, abzuerkennen. Kraepelin war ein maßgeblicher Wegbereiter der Rassenhygiene und der Zwangssterilisationen. Über 300.000 Psychiatrieinsassen fielen ihr zum Opfer. Die Stadt München wie auch die Stadt Hamburg waren vor 20 Jahren von der KVPM aufgefordert worden, die Kraepelinstraße in München und Hamburg umzubenennen. Während Hamburg der Aufforderung folgte und ein klärendes Zusatzschild anbringen ließ, weigert sich München bislang der Aufforderung nachzukommen. Die kürzlich erst aufgetauchten, öffentlichen Verurteilungen Emil Kraepelins durch den englischen Psychiater und früheren WHO Mitarbeiter Prof. Shepherd, bestätigen noch einmal die Fundiertheit der Forderung der Menschenrechtler.

 

Kraepelin war ein früher Wegbereiter der Zwangssterilisation und Mentor des Nazi-Psychiaters Ernst Rüdin. Sämtliche Gegenstände, mit denen Kraepelin noch heute geehrt wird, müssen an das NS-Dokumentationszentrum übergeben werden. Dann dient diese Stätte fortan und für alle auch als Warnung vor der Unmenschlichkeit der Psychiatrie und ihrer entgleisten ideologischen Wegbereiter wie Kraepelin und schlimmeren Übeltätern in seiner Nachfolge während der Nazi-Zeit“, so Nicola Cramer, Vizepräsidentin der KVPM Deutschland e.V..

 

Im Fall der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie (DGPPN) betreffe es die Ehrenmitgliedschaft von Emil Kraepelin, die aberkannt werden müsse.

 

Im Fall der LMU Psychiatrie München betreffe es eine Emil Kraepelin Büste im 1. Stock, ein Emil Kraepelin Portrait im 2. Stock und im Hörsaal, die entfernt, sowie die Kraepelin-Bibliothek, die umbenannt werden müsse.

 

Im Fall des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie betreffe es ebenfalls eine Emil Kraepelin Büste im Foyer sowie eine Tafel, die an der Wand angebracht ist. Zudem solle der Kraepelin-Bau umbenannt werden. Denkbar wäre eine Umbenennung in „Oskar-Schindler-Bau.“

 

Darüber hinaus müsse auch die Kraepelinstraße in München umbenannt werden, hier wäre z.B. der Name "Oskar-Schindler-Straße" denkbar.

 

Begründung:

Emil Kraepelin (1856 – 1926) war nicht nur ein früher Wegbereiter der Rassenhygiene und Befürworter der Zwangssterilisation. Kritiker machen Kraepelin auch für die inhumanen Methoden der deutschen Psychiatrie des 20. Jahrhunderts mit verantwortlich.

 

Auf Kraepelins Betreiben hin wurde 1917 in München die weltweit erste Forschungseinrichtung für psychiatrische Genetik eingerichtet, die „Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie“, eine Vorläuferinstitution des nach dem Krieg gegründeten Max-Planck-Instituts für Psychiatrie.
Schon vor Gründung von Kraepelins Forschungsanstalt rief er die genetisch-psychiatrische Familienforschung ins Leben, eine Art Stammbaum- und Sippenforschung, die in ähnlicher Weise später den Nazis als Grundlage für die Selektion ihrer Opfer diente.
Schon 1909 klagte Kraepelin, die „Irrenfürsorge“ halte die „geistig Minderwertigen“ am Leben, lasse sie „zur Fortpflanzung gelangen“ und „Ja, sie legt die daraus erwachsende Last auf die Schultern der Tüchtigen und erschwert ihnen damit den Daseinskampf.“ Kraepelin legte seine unmenschliche Einstellung in dem Werk von 1908 „Zur Entartungsfrage“ und 1918 in dem Werk „Geschlechtliche Verwirrungen und Volksvermehrung“ dar.
Er forderte (Zitat): „Ein rücksichtsloses Eingreifen gegen die erbliche Minderwertigkeit, das `Unschädlichmachen´ der psychopathisch Entarteten mit Einschluss der Sterilisierung.“  (Quelle: Doku „Sichten & Vernichten“ von Ernst Klee.)

 

Im Jahre 2012 erschien das Buch: „Irgendwie kommt alles anders – Psychiater erzählen“. Darin berichtet der Psychiater Heinz Häfner:

Der englische WHO-Mitarbeiter Prof. Shepherd präsentierte in Taiwan bei einem Psychiatriekongress einen Vortrag über Emil Kraepelin, den er auch am Institute of Psychiatry, London gehalten und später unter dem Titel 'The two faces of Kraepelin' im British Journal of Psychiatry (1995) publizierte. Shepherd kritisierte den naiven Nationalismus Kraepelins, seine Identifikation mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. und mit dessen militärischer Weltsicht. Er verurteilte Kraepelins Sozialdarwinismus, seine eugenischen Gedanken und antisemitischen Äußerungen …  Prof. Shepherd [sah] ihn als geistigen Wegbereiter für Adolf Hitler.”  (Quelle: Buch “Irgendwie kommt alles anders – Psychiater erzählen”, Herausgeber: Prof. Dr. Frank Schneider. Die Rede von Shepard “The two faces of Emil Kraepelin” wurde im British Journal of Medicine veröffentlicht 1995, 167; 174-183)

 

Kraepelin war Lehrer des Nazi-Psychiaters Prof. Ernst Rüdin.
Der renommierte Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl stellte dazu im Jahre 2012 in einem Dokumentarfilm der KVPM Deutschland fest:
Es gibt eine unmittelbare Linie von Kraepelin und der von ihm begründeten Deutschen Forschungsanstalt der Psychiatrie hin zur NS-Psychiatrie durch die genealogisch-demographische Abteilung, die ja dann von Ernst Rüdin geleitet worden ist. Ernst Rüdin war der wichtigste Ansprechpartner der Nationalsozialisten im Bereich der Psychiatrie, weil er nicht nur in Deutschland sondern auch international als der führende genetische Psychiater galt. Seine von ihm entwickelte und von seinem Team angewandte Methode der empirischen Erbprognose galt damals als auf der Höhe des Forschungsstandes der Psychiatrie weltweit.

Ernst Rüdin der berühmteste, vielleicht der berüchtigste Schüler von Kraepelin, spielt eine ganz außerordentliche Rolle. Er gehört zu den Mitbegründern der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene 1904, war verschwägert mit Alfred Ploetz, dem Begründer der Rassenhygiene. Er saß in München in der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in der Schlüsselposition zur Entwicklung einer psychiatrischen Genetik in Deutschland und er spielte ab 1933 eine ganz ausschlaggebende Rolle bei der wissenschaftlichen Politikberatung der Nationalsozialisten … Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses trug ganz wesentlich die Handschrift von Ernst Rüdin.

 

Prof. Dr. Frank Schneider, damaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), sagte in einer Gedenkveranstaltung vor 3.000 Psychiatern aus Europa 2010 in Berlin:
... Am 14. Juli 1933 ... wurde das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses verabschiedet .... Über 360.000 Menschen wurden auf Grundlage dieses Gesetzes von Medizinern selektiert und zwangssterilisiert. Über 6.000 starben bei den Eingriffen.

 

Der Psychiater Emil Kraepelin stand von 1906 bis 1920 dem Deutschen Verein für Psychiatrie (DVP) vor. Sein Schüler Ernst Rüdin war von 1935 bis 1945 Vorsitzender der aus dem DVP entstandenen Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater (GDNP), dem Vorläufer der heutigen Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Geschäftsführer der DGNP war übrigens Paul Nitsche, ein weiterer Schüler von Emil Kraepelin. Paul Nitsche leitete die geheime Aktion T4 in Berlin, bei der 70.273 Psychiatriepatienten in sechs psychiatrischen Anstalten mit Gas ermordet wurden (Januar 1940 bis August 1941).

 

Der Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl dazu:
„Ich bin im Auftrag der DGPPN unterwegs und man kann sehr schön zeigen, dass diese Vereinigung der Psychiatrischen Neurologischen Fachgesellschaft (= ein Vorläufer der DGPPN)... tatsächlich vorbereitet worden ist von den Psychiatern um Ernst Rüdin, und dass der Nationalsozialistische Staat eigentlich eher als Handlanger dieses informellen Netzwerkes von Wissenschaftlern und Ärzten fungierte ... das geht bis in den Bereich der Euthanasie hinein. Also die führenden Leute um Ernst Rüdin haben zur Zeit des Zweiten Weltkrieges das Regime beraten, wie das System der Psychiatrie umgestaltet werden sollte auf der Basis des Euthanasieprogramms.“

 

Menschenrechtler fordern Aberkennung der DGPPN Ehrenmitgliedschaft von Emil Kraepelin, frühem Wegbereiter der Rassenhygiene und Zwangssterilisation.

 

 

Für weitere Informationen:

Nicola Cramer, Vizepräsidentin KVPM Deutschland e.V.

Tel: 0178 - 540 47 35