Nach fast 70 Jahren: Verdrängung der deutschen Psychiatrie ein Ende gesetzt!

25. November 2011

 

Der Präsident der Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte Deutschland e.V.* (KVPM), Bernd Trepping, überreichte am Donnerstag, den 24.11.2011 dem Psychiater Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychologie und Nervenheilkunde 2009-2010, im ICC Kongresszentrum Berlin eine Anerkennung für einzigartige Pflichterfüllung bei der Übernahme der Verantwortung für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die deutsche Psychiatrie durch massenhafte Misshandlung und Ermordung von Menschen in Deutschland und Europa von 1933 – 1945 durch Euthanasie und Genozid.

Links: Bernd Trepping, Präsident KVPM Deutschland e.V.; rechts: Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, Präsident der DGPPN 2009-2010

Prof. Schneider nahm die Anerkennung zunächst etwas skeptisch entgegen, denn seit 39 Jahren fordert die von Scientologen gegründete KVPM als lautester Kritiker der DGPPN, dass sich der Psychiatrieverein endlich öffentlich zur unheilvollen Rolle seiner Vorgängerorganisation vor, während und nach der Nazi-Zeit bekennt und sich der Verantwortung stellt.

In den 1990er Jahren recherchierten Mitglieder der KVPM das Buch „Die Männer hinter Hitler" über die Rolle der deutschen Psychiatrie, und brachten es 1994 in den Buchhandel. Die erste Auflage von 6000 Exemplaren war sofort vergriffen. Mit Hilfe einer finanziellen Zuwendung der Internationalen Vereinigung von Scientologen konnte 1997 eine zweite Auflage des Buches „Die Männer hinter Hitler“ finanziert und 10 000 Exemplare an Bundestagsabgeordnete, Vertreter der Bundesregierung, Historiker, Wissenschaftler, Journalisten, Ärzte, Bibliotheken, soziale Verbände, Universitäten etc. in Deutschland verschickt werden. In 1997 erschien das Buch „Psychiater: Die Männer hinter Hitler“ dann in englischer Sprache in Amerika. 2000 folgte die tschechische Ausgabe, die von der KVPM Deutschland gemeinsam mit Elvira Manthey, der letzten Überlebenden der Nazi-Psychiatrie Brandenburg-Havel, in Prag vorgestellt wurde und dort auf großes Medienecho stieß.

Die KVPM veranstaltete unzählige Mahnwachen, Demos, öffentliche Kundgebungen, Forderungen nach der Entfernung von Denkmälern und Aberkennungen von Ehrenstaten psychiatrischer Wegbereiter des Holocausts wie Werner Villinger (Ehrendoktor Uni Hamburg), Hermann Stutte (Ehrendoktorwürde Uni Göttingen) u.a..

Noch im Jahre 1995, kurz nachdem das Buch „Die Männer hinter Hitler“ erschienen war und eine Ausgabe des Magazins Freiheit der Scientology Kirche in großer Auflage über die Geschichte der deutschen Psychiatrie berichtete, wandte sich der Psychiater Prof. Wolfgang Gaebel, damaliger Präsident der DGPPN hilfesuchend an den damaligen Bundesinnenminister Kanther mit der Forderung „alles Notwendige zu veranlassen, damit derartige Aktionen der Scientology-Organisation und ihrer Vereine mit rechtlichen Mitteln unterbunden werden“, denn „die DGPPN sieht sich allein nicht in der Lage, auf gerichtlichem Wege gegen derartige Aktionen vorzugehen.“

Erst im November 2010, nach knapp 70 Jahren, hat sich die DGPPN unter Prof. Schneider in der öffentlichen Gedenkveranstaltung erstmals ungeschönt zum vollen Ausmaß der vernichtenden Rolle der deutschen Psychiatrie vor, während und nach der Nazi-Zeit bekannt. Prof. Schneider hat dafür gesorgt, dass die DGPPN bei den Opfern und ihren Angehörigen um Verzeihung für das Leid gebeten hat und für das viel zu lange Verharmlosen und Verdrängen in der Zeit danach. Prof. Schneider hat die mangelhafte Aufklärung in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg durch die DGPPN zugegeben und konkrete Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die deutsche Psychiatrie diese Gräueltaten niemals wiederholt.

Im Oktober 2011 folgte ein DGPPN-Spendenaufruf zum Thema Psychiatrie im Nationalsozialismus von Prof. Schneider und Prof. Falkai, in dem er betont: "Bei der Gedenkveranstaltung hat die DGPPN angekündigt, ein deutliches Zeichen zu setzen." Mit Unterstützung von 23 namhaften medizinischen Verbänden in Deutschland lanciert die DGPPN folgende konkrete Maßnahmen:

* Neugestaltung der Tiergartenstraße 4:
Dort befand sich ab 1940 das Hauptquartier der von Psychiatern als "lebensunwert" selektierten und in den Tod geschickten Euthanasie-Opfer. Die DGPPN setzt sich dort für eine zusätzliche Dokumentationsstätte ein: "Es ist uns wichtig, dass neben dem Ort des Gedenkens ein solcher der ... Dokumentation und Information entsteht, der über die Entstehungsgeschichte der 'Euthanasie'-Aktionen, ihre Einbettung in eine rassenhygienisch aufgeladene Gesundheits- und Bevölkerungspolitik sowie über die unzureichende juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung der Verbrechen kontinuierlich und in geeigneter Form aufklärt." 
 
* Europäische Wanderausstellung zur Nazi-Psychiatrie:
Die DGPPN schreibt dazu in ihrem Spendenaufruf: „...darauf aufbauend soll eine Ausstellung zur Praxis der Psychiatrie im Nationalsozialismus - und insbesondere zu den Opfern und Tätern der 'Aktion T4' - in Berlin entwickelt und als Wanderausstellung in Europa präsentiert werden. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen ... über die europäische Dimension der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Verbrechen, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Nachwirkungen zu informieren."

* Etablierung öffentlich zugänglicher Datenbanken mit Biografien von Nazi-Psychiatern:
Hierzu schreibt die DGPPN im Oktober 2011: „...ist es ein längerfristiges Ziel, in ... öffentlich zugänglichen Datenbanken die Namen und die Schicksale der Opfer wie die Biografien der Täter von 'Euthanasie', Zwangssterilisation, ungerechtfertigter
psychiatrischer Forschung und Zwangsvertreibung in der Zeit des Nationalsozialismus zu dokumentieren. Damit soll zu einer gesellschaftlichen Würdigung und dem Gedenken dieser Opfer des Nationalsozialismus beigetragen werden."

Dieser Kurswechsel der DGPPN war lange überfällig. Die KVPM Deutschland e.V. begrüßt diese von der DGPPN geplanten Maßnahmen wie die europäische Wanderausstellung.

Bereits seit 8 Jahren präsentiert die KVPM im Namen ihres Schwestervereins CCHR International eine umfangreiche audio-visuelle internationale Wanderausstellung unter dem Titel „Psychiatrie: Tod statt Hilfe", die bereits von über 90 000 Menschen in Deutschland besucht wurde. Insbesondere der Teil der Ausstellung über die Verbrechen der deutschen Psychiatrie vor, während und nach der Nazi-Zeit sorgten vor dem Haupteingang der KZ-Gedenkstätte in Dachau, in der Stadt Kaufbeuren, München, Hamburg, Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Hannover wiederholt für Aufsehen und für Pressewirbel.

Am Ende des Gespräches mit Bernd Trepping schien Prof. Schneider weniger angespannt, die Verabschiedung war freundlich. Dorothea Buck (94) aus Hamburg, bekannteste lebende Zeitzeugin des psychiatrischen Euthanasie- und Zwangssterilisierungsprogramms, freute sich jedenfalls über die Aktion und ist der Meinung, dass Prof. Schneider diese Anerkennung verdient habe.

Das Kapitel der Verdrängung hat seit Prof. Dr. Dr. Frank Schneider als Präsident der DGPPN endlich ein Ende gefunden.


Für weitere Informationen:
Bernd Trepping, Tel. 0178 – 613 74 67

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Tel. (089) 273 03 54, Fax (089) 28 98 67 04, kvpm@gmx.dewww.kvpm.de

* Die KVPM wurde 1972 von Mitgliedern der Scientology Kirche in München gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk gegen Korruption und Missbräuche im psychiatrischen System.