Psychiatrieskandal in Frankfurt

 

München, den 18. 1. 1977

 

Nachdem es innerhalb eines halben Jahres dreimal zu heftigen Auseinandersetzungen um das Frankfurter "Zentrum der Psychiatrie" (Universitätsnervenklinik) gekommen war, hat nun die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (Sitz München) in einem Schreiben an den Hessischen Kultusminister Hans Krollmann um eine volle Untersuchung der Vorfälle gebeten.

 

Im Juni letzten Jahres entfachte die umstrittene Anwendung von Elektroschocks in der Uni-Nervenklinik eine Kontroverse. Im Mittelpunkt stand eine Dokumentation des "ARD-Wissenschaftsmagazins", indem neben verschiedenen sachverständigen Kritikern auch ehemalige Patienten zu Wort kamen. So berichtete z. B. eine Frau, bei der Elektroschockbehandlung aus therapeutischer Hilflosigkeit erfolgte, dass sie auch nach der Schockbehandlung nicht von einem quälenden Dauerkonzert im Kopf befreit wurde, wobei sie eine Melodie aus dem "Zarewitsch" geradezu verfolge. Auch andere Klagen wurden laut, so die eines Virtuosen, der nach der Schockbehandlung nicht mehr Noten lesen kann. Ihm wurde versichert, dass der Gedächtnisverlust nur kurzzeitig sei, er dauert mittlerweile aber schon 11 Jahre. Der im Psychiatriezentrum tätige Psychiater Dr. Schuster gab im Hinblick auf derartige Behandlungen in dieser Fernsehsendung zu, "mehrere Tausend" davon durchgeführt zu haben. In diesem Zusammenhang vertrat auch der geschäftsführende Direktor des Zentrums der Psychiatrie, Prof. Dr. Bochnik, in einem Schreiben an die Münchner Kommission den Standpunkt, dass durch diese Sendung eine "böse Irreführung vieler gutgläubiger Menschen" stattfand.

 

Im Herbst 1976 beschwerten sich Patienten der Universitätsnervenklinik im Rahmen einer Informationstagung, dass "Konflikte an denen sie leiden mit der 'Pillenkeule' erschlagen werden". Auch andere Sorgen und Nöte der Patienten traten zutage: "Ärzte haben keine Zeit, psychisch Kranke sind Nummern und keine Menschen, Gruppentherapie und Einzelgespräche sind ihnen unbekannt". Eine Frankfurter Tageszeitung berichtete darüber, was ein anderer Professor der Klinik, W. Pittrich, zum Anlass nahm, die "sehr geehrten" Patienten, Angehörigen und Mitarbeiter aufzurufen, gegen Diffamierungen und Falschmeldungen den Kampf aufzunehmen: "Wir müssen uns nur wehren".

 

Seit einigen Wochen steht das Zentrum der Psychiatrie erneut im Blickpunkt der Öffentlichkeit. In einer Sendung des "Hessischen Rundfunks" vom 3. Dezember letzten Jahres, kritisierten Patienten offen die Missstände in der Klinik. Die Hauptpunkte der Patienten: "Einmal in der Woche sieht man kurz den Oberarzt. Die Ärzte haben keine Zeit. Probleme mit dem Personal. Undurchsichtigkeit der Diagnosen. Pillenkeule statt Therapie". Die Radiosendung wurde von Klinikinsassen selbst produziert, doch die Kritik blieb für die Mitwirkenden nicht ohne Folgen. Der Autor der Sendung, der Journalist und Schriftsteller Ernst Klee fasste in einem Schlusswort zusammen: "Die Patienten wurden in der Klinik für ihre Teilnahme bestraft, es hat Repressalien gegeben". Klee führte aus, was ihm die Patienten aufgetragen hatten, denn der Titel hieß "Patienten machen eine Sendung". Eindeutig zu beweisen waren diese "Repressalien" bisher noch nicht, doch die Patienten fühlten sich bestraft. Der Konflikt hat jetzt seinen Höhepunkt erreicht. Am 7. Januar war in der Universitätsnervenklinik die erste einer Reihe von geplanten Diskussionen mit Patienten, Ärzten und Ernst Klee. Doch kaum hatten sie begonnen, waren sie auch schon wieder zu Ende. Als einziger Arzt erschien Prof. Dr. Pittrich. Er teilte Klee namens der Klinikleitung mit, dass man gegen ihn, wegen der im Schlusswort der Radiosendung erhobenen Vorwürfe, Strafanzeige wegen Verleumdung stellen werde. Außerdem wurde Ernst Klee von Pittrich untersagt, weiterhin an den Gruppengesprächen mit den Patienten teilzunehmen. Damit ist die Öffentlichkeit von der Diskussion ausgeschlossen und gerade sie wollten die Patienten beteiligen: "Unsere Konflikte drinnen haben wir lange genug alleine mit den Ärzten ausgetragen, jetzt brauchen wir die Öffentlichkeit". Bei Ernst Klee ist bis heute keine Strafanzeige eingegangen. Ist dies als Bestätigung der "Repressalien" zu werten? Sollte es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, wurde Ernst Klee von verschiedenen Seiten finanzielle Unterstützung zugesagt. Selbst Patienten wollen dann mithelfen die Gerichtskosten zu decken.

 

Es ist offensichtlich, dass eine Klärung der Vorgänge hier unbedingt notwendig ist. Deshalb verlieh die Münchner Kommission ihrer Bitte um Untersuchung durch den Hessischen Kultusminister mit der Begründung Nachdruck, dass es "im Interesse der Zukunft aller psychisch kranken Patienten unerlässlich sei, eine gerechte und lückenlose Durchleuchtung der Vorfälle im Frankfurter Zentrum der Psychiatrie durchzuführen".

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.