Psychiatrie-Skandale in der Bundesrepublik reißen nicht ab

 

München, den 4. 4. 1978

 

Die Psychiatrie-Skandale in der Bundesrepublik nehmen kein Ende. So verschiedenartig diese Skandale auch geartet sind - angefangen von mysteriösen Todesfällen über Pharmakaversuche an Kranken bis hin zur Verabreichung einer Elektrokrampftherapie für eine Patientin, weil sie "laut", "erregt" und "aggressiv" war - so zeigen doch alle, dass die Rechte psychisch Kranker vielfach aufs Gröbste verletzt werden, sofern sie überhaupt existieren. Über diese Missstände berichtet die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." in der neuesten Ausgabe ihrer monatlichen Mitteilung "Menschenrechte Aktuell".

 

In ihrer Mitteilung beschreibt die Kommission eine ganze Reihe von Skandalen sehr ausführlich. Im Einzelnen:

  • Mysteriöse Todesfälle im psychiatrischen Landeskrankenhaus Brauweiler bei Köln enthüllt. Sofortiger Aufnahmestopp und Schließung der Klinik zum Jahresende angeordnet. Vier Psychiater, darunter Klinikchef Prof. Stockhausen, wurden strafversetzt. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie, wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und auf unterlassene Hilfeleistung. Kölner Laienhelfergruppe erhebt auch Vorwürfe gegen andere rheinische Psychiatrie-Kliniken.
  • Das Elend der psychisch Kranken - der Reichtum der Chefpsychiater. Spitzenpsychiater verdienten Hunderttausende mit Gutachtertätigkeiten und Privatstationen. Prof. Bergener, Direktor der psychiatrischen Modell-Klinik in Köln-Merheim, beispielsweise verdiente 1975 allein 454 525 Mark durch Nebentätigkeiten. Sein Düsseldorfer Kollege Dr, Heinrich verteidigt ihn: "Bergener will sich selbst verwirklichen. Man muss ihn Geld machen lassen". Ansonsten aber beklagt er das Elend der Psychiatrie!
  • Der Stuttgarter Stadtrat Eugen Eberle attackiert umstrittene Pharmakaversuche in der psychiatrischen Klinik des dortigen Bürgerhospitals.
  • Der Psychologe Dr. Mann beklagt nach nahezu fünfjähriger Tätigkeit im psychiatrischen Landeskrankenhaus Gütersloh: "Patienten sind sich ihrer körperlichen Unversehrtheit nicht mehr sicher. Ihnen werden Medikamente verabreicht, die wie eine 'chemische Keule' wirken". Klinikchef Prof. Winkler dazu u.a.: "Sehr selten ist es auch, dass einem Pfleger einmal die Hand ausrutscht".
  • Der oberbayerische Bezirksrat Joachim Hackethal befürchtet einen Missbrauch von Psychodrogen in den Nervenkrankenhäusern seines Bezirks.
  • Das bayerische Nervenkrankenhaus Gabersee - eigenartige Applikationsumstände für die "Heilung aus der Steckdose": Elektrokrampftherapie für eine Patientin, weil sie "laut", "erregt" und "aggressiv" war.

 

Die Kommission weist in ihrer Monatsschrift zugleich darauf hin, dass sich die Reihe der Psychiatrie-Skandale noch beliebig lange fortsetzen ließe, da ihr hunderte von Hilfsansuchen vorliegen, in denen sich Patienten oder deren Angehörige über Menschenrechtsverletzungen in psychiatrischen Einrichtungen beklagen.

 

Dass es um die Rechte psychisch Kranker nicht gut bestellt ist und diese Rechte in zahlreichen Fällen verletzt werden, wie die jüngsten Vorkommnisse erneut beweisen, ist kein Geheimnis. Wie aus der monatlichen Mitteilung weiter hervorgeht, arbeitet die Kommission gegenwärtig an einem "Handbuch für die Rechte psychisch Kranker". Das Handbuch - so ist geplant - soll in einer möglichst hohen Auflage erscheinen, damit es zu einem günstigen Preis angeboten werden kann. Dadurch will die Kommission dem offensichtlichen Informationsdefizit auf diesem Gebiet, dass schon allein durch die zahlreichen Anfragen von Patienten und Angehörigen deutlich wird, wirksam abhelfen.

 

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.